22.10.2025
The Artist as Citizen 2025 – Kultur als Bürgerauftrag
The Artist as Citizen 2025: Drei Tage in der EAB, die Kultur als Bürgerauftrag neu vermessen. Von Steve Austen bis Corina Șuteu, von „Borderless“ bis „Cultural Pact for Europe“ – die dritte Ausgabe zeigt, wie Kunst Vertrauen stiftet, Grenzen in Brücken verwandelt und Politik anschlussfähig macht. Anerkennung vor Applaus, Wirkung vor Reichweite!

Zum dritten Mal trafen sich Vordenkerinnen und Praktiker der europäischen Kulturszene in der Europäischen Akademie Berlin, um über Kunst, Bürgersinn und Demokratie im Jahr 2025 und darüber hinaus zu sprechen – in Koproduktion mit dem European House for Culture, unterstützt von Felix Meritis Connecting Cultures. Drei Tage, ein Ziel: Kultur als öffentliches Gut sichtbar zu machen und Künstlerinnen und Künstler als handelnde Bürgerinnen und Bürger zu stärken.
Schon zum Auftakt war der Ton gesetzt. „Es geht um Kohäsion. Kultur bringt Menschen zusammen“, betonte Direktor Christian Johann in der Begrüßung. Steve Austen (FMCC/EHfC) knüpfte daran an: „Artists should become active in the real world as an independent citizen.“ Akudo Kyoshia McGee (89 Initiative) beschrieb Kultur als Lebensform, die Identität schafft. Hugo de Greef betonte Vertrauen als eigentliche Währung: „Culture as a way to regain trust.“ Und die Architektin, Künstlerin und Abgeordnete Eliza Hoxha brachte die soziale Dimension auf den Punkt: „Happier and healthier cities through culture.“ Diese Setzungen rahmten das Leitmotiv der Konferenz: Anerkennung, Freiheit und Sichtbarkeit sind Voraussetzungen, damit Kunst Gemeinschaft stiften kann.
Das Programm führte von Grundsatz über Praxis zu konkreten politischen Brücken: Tag 1 verhandelte unter dem Titel „The Artist as Citizen – Reimagining Europe’s Future“ die Rolle der Künste für eine demokratische Öffentlichkeit; am Abend öffnete „Borderless“ den Blick auf Grenzen als Lernorte. Botschafterin Dr. Ana Polak Petrič formulierte den Schlüsselgedanken: „Borderless means understanding complexity. A border can become a bridge.“ Das folgende Gespräch mit Kaja Širok (ICOM Board), der Regisseurin Anja Medved und Miguel Ángel Martín Ramos (Yuste-Stiftung) zeigte, wie Museen zu Akteuren des Wandels werden, wie Kunst das Tempo der Gesellschaft „abbremst“, damit Sinn entsteht, und warum Anerkennung wichtiger ist als reine Monetarisierung. „Your freedom stops where the other person’s freedom starts“, erinnerte Martín Ramos – Kultur als Schule der Freiheit.
Tag 2 rückte die kulturpolitische Infrastruktur in den Fokus: die (Neu-)Definition nationaler Kulturinstitute, die Schnittstellen von Kultur- und Außenpolitik, die Rolle von Exil-Künstlerinnen und die Frage, wie digitale Plattformen junge Zielgruppen tatsächlich erreichen. Corina Șuteu plädierte für „mehr Europa“ in den Instituten und für Mediatorinnen zwischen Politik und Kunst. Vladimir Shalamov, Tatjana Rexroth, Freek van Duijn und Oleksandr Butsenko diskutierten Mentoring, Schutzräume, Datenbanken für Werke und die Notwendigkeit, Projekte auch jenseits klassischer Förderlogiken tragfähig zu machen. „We need a cultural budget“, hielt Steve Austen fest, während Șuteu nüchtern anmerkte: „It is hard to get subsidies for something that doesn’t exist yet.“ Ergebnis: Netzwerke ausbauen, privat-öffentliche Allianzen wagen, und digitale Reichweite mit inhaltlicher Tiefe verbinden.
Tag 3 bündelte die Stränge in Richtung „Cultural Pact for Europe“. Linda Bouws regte ein Manifest mit prominenten Unterzeichner*innen an, Șuteu skizzierte die operative Umsetzung mit klaren Botschaften, Botschafter-Persönlichkeiten und Formaten dort, wo junge Menschen sind. „We need to invent a way in which we can turn crisis into opportunity“, hieß es im Plenum. Steve Austen kündigte an, dass das European House for Culture als Stimme des künstlerischen Sektors eine strukturierte Netzwerk-Initiative unterstützt – mit assoziierten Mitgliedern, Advisory Board und Generalversammlung.
Inhaltlich zog sich eine klare Linie durch alle Panels: Kultur mindert Angst und Polarisierung, sie schafft „slow trust“ statt schneller Klicks und macht aus Grenzen Brücken. „Culture is about fighting against fear“, sagte Martín Ramos; Širok ergänzte: „Museums as actors of change.“ Medved erinnerte daran, dass es „time and space to be creative“ braucht – und dass Qualität nicht in Propaganda oder bloßer Kommerzialisierung liegt. Diese Haltung trägt auch in Konfliktzeiten, von der Ukraine bis zum Westbalkan.
Die Namen spiegeln das Netzwerk, das diese Haltung trägt: Steve Austen, Linda Bouws und Hugo de Greef (EHfC/FMCC), Akudo Kyoshia McGee (89 Initiative), Eliza Hoxha (Architektin und Abgeordnete, Kosovo), Kaja Širok (ICOM), Anja Medved (Regisseurin), Miguel Ángel Martín Ramos (Yuste-Stiftung), Corina Șuteu (ehem. Kulturministerin Rumäniens), Oleksandr Butsenko (Democracy through Culture, Kiew), Vladimir Shalamov (Kurator und Galerist), Tatjana Rexroth („Into the Open“), Freek van Duijn (Frame BV), Anika Reichwald (Jüdisches Museum Berlin) und viele weitere Partnerinnen und Partner aus ganz Europa. Sie alle eint der Anspruch, Kultur als Ressource der Demokratie praktisch zu machen.
Mein Fazit: „Europas Stärke war lange der Markt. Es ist Zeit, Stärke in Gemeinschaften zu finden. Erst wenn wir Kultur als Lebensform akzeptieren, wird Politik wieder anschlussfähig.“ Mit „The Artist as Citizen 2025“ hat die EAB diese Debatte erneut geerdet – als dritte Ausgabe einer Reihe, die aus Gesprächen konkrete Schritte ableitet: von Mentoring und Schutzräumen über eine bessere Andockung an politische Programme bis zum europäischen Kulturpakt. Der nächste Schritt ist klar: Anerkennung vor Applaus, Wirkung vor Reichweite, Qualität vor Quote.