Rumänien liegt auf den gängigen Landkarten am Rand Europas, politisch jedoch mitten in den großen sicherheitspolitischen Fragen unserer Zeit. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung in der Reihe „Europe Behind the Headlines – Frequenz Europa“ rückte die Europäische Akademie Berlin gemeinsam mit dem „Europapodcast“ Rumänien, das Schwarze Meer und die Frage europäischer Resilienz in den Mittelpunkt.

Das ganze Gespräch Rumänien im Fokus: Sicherheit und Resilienz am Schwarzen Meer können Sie im Europapodcast nachhören.

Das Schwarze Meer als europäischer Korridor

Die Politikwissenschaftlerin Maria Mariș, Programmmanagerin bei der Konrad Adenauer Stiftung, machte deutlich, dass der Blick vieler Westeuropäerinnen und Westeuropäer auf die Region zu kurz greift. Das Schwarze Meer sei „kein Ende Europas“, sondern ein strategischer Korridor in Richtung Südkaukasus, Zentralasien und Asien. Über Energieinfrastruktur, Pipelines und maritime Handelsrouten sei die Region direkt mit der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage der Europäischen Union verknüpft.

Rumänien sei in diesem Raum ein Schlüsselstaat, so Mariș: wirtschaftlich als Transitland und Investitionsstandort, energiepolitisch mit Zugang zu Offshore-Ressourcen sowie sicherheitspolitisch als NATO Mitglied an der Ostflanke.

Ein Frontstaat, der selten als solcher gesehen wird

Besonders eindrücklich beschrieb Maria Mariș die sicherheitspolitische Realität an der rumänischen Grenze. Rumänien verfügt über die längste EU Außengrenze zur Ukraine und liegt direkt gegenüber russischem Territorium im Schwarzen Meer. Wöchentliche Luftraumverletzungen, Trümmerteile von Drohnen auf rumänischem Boden und sogar ein Einschlag in ein Wohnhaus im Donaudelta sind Teil dieser neuen Normalität.

Trotzdem werde Rumänien im deutschen Diskurs selten als Frontstaat wahrgenommen. Während das Augenmerk häufig auf Polen oder die baltischen Staaten gerichtet sei, bleibe die südliche Ostflanke der NATO im öffentlichen Bewusstsein unterbelichtet. Gerade hier, so Mariș, entscheide sich jedoch mit, ob Europa seine Seewege, Energieinfrastruktur und Partner in der Region wirksam schützen könne.

Sicherheitspolitik beginnt bei den Bürgerinnen und Bürgern

Ein weiterer Schwerpunkt der Politikwissenschaftlerin lag auf dem Verständnis von Sicherheit. Sicherheitspolitik dürfe nicht allein mit Panzern, Truppen und Rüstungsausgaben gleichgesetzt werden. Im Zentrum stehe die Resilienz der Gesellschaft, das Vertrauen in Institutionen und die Fähigkeit, Desinformation, hybride Angriffe und äußeren Druck auszuhalten.

In Rumänien spiegele sich dieser Ansatz auch in der neuen nationalen Verteidigungsstrategie. Dort werde das Individuum bewusst in den Mittelpunkt gestellt. Sicherheit werde als gemeinschaftliche Aufgabe verstanden, bei der staatliche Institutionen und Bürgerinnen und Bürger zusammenwirken müssen.

Deutschland hat Rumänien spät, aber deutlich auf dem Radar

Lorin Stahn, Berater für Regierungsbeziehungen in Berlin und langjährig in den deutsch rumänischen Beziehungen engagiert, richtete den Blick stärker auf die deutsche Perspektive. Er stellte fest, dass es in Berlin lange an grundlegender Expertise über Rumäniens Politik, Parteiensystem und regionale Rolle gefehlt habe.

Erst mit der russischen Vollinvasion in die Ukraine 2022 habe es eine intensive Reisediplomatie nach Bukarest gegeben. Staatsoberhäupter, Regierungsmitglieder und Delegationen aus Deutschland hätten Rumänien in kurzer Zeit „neu entdeckt“. Aus seiner Sicht kam diese Neubewertung spät, sei aber umso wichtiger, um die sicherheitspolitische Partnerschaft zu vertiefen.

Sicherheit Deutschlands wird auch am Schwarzen Meer verteidigt

Stahn betonte, dass die Sicherheit Deutschlands nicht nur im Baltikum, sondern auch in Rumänien verteidigt werde. Wer ausschließlich auf die Ostsee blicke, unterschätze die Bedeutung der Schwarzmeerregion. Stationierte NATO Truppen, Luftverteidigungssysteme und militärische Übungsräume in Rumänien seien Ausdruck einer sicherheitspolitischen Verdichtung, die auch Deutschland unmittelbar betreffe.

Rumänien sei damit ein zentraler Pfeiler der europäischen Sicherheitsordnung. Die Frage, wie verlässlich Europa seine Südostflanke absichert, sei zugleich eine Frage deutscher und europäischer Sicherheit.

Eine unterschätzte Erfolgsgeschichte

Bei allen Herausforderungen hob Lorin Stahn auch die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre hervor. Rumänien sei wirtschaftlich und infrastrukturell so weit entwickelt wie nie zuvor. Wer Bilder von 2008 und 2025 vergleiche, sehe „ein anderes Land“. Die EU Mitgliedschaft sei im Alltag deutlich spürbar, etwa an offenen Grenzen, kürzeren Reisezeiten, wachsender wirtschaftlicher Dynamik und wachsender Mobilität der Bevölkerung.

Die oft einseitige Problemwahrnehmung werde dieser Entwicklung nicht gerecht. Rumänien sei nicht nur Sicherheitsproduzent für Europa, sondern auch eine Erfolgsgeschichte der europäischen Integration, die stärker erzählt werden müsse.

Fazit

Die Veranstaltung machte deutlich, dass Rumänien im europäischen Sicherheitsgefüge eine weitaus größere Rolle spielt, als es seine Randlage auf der Karte suggeriert. Als Frontstaat an der EU Außengrenze zur Ukraine, als Anrainer des Schwarzen Meeres und als dynamisches EU Mitglied ist Rumänien ein unverzichtbarer Partner.

Für Deutschland und Europa bedeutet dies, Rumänien nicht nur politisch und militärisch, sondern auch gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell noch stärker in den Blick zu nehmen.

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