07.10.2025
Europa, Energie, Emotionen – Ein Abend über Atomkraft und Verantwortung
Volles Haus, lebhafte Debatte und starke Positionen: Beim rbb24 Inforadio Forum in Kooperation mit der EAB diskutierten Politikerinnen, Forschende und Publikum über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland und Europa – engagiert, kontrovers und mit europäischem Blick.

Rückblick auf das rbb24 Inforadio Forum bei der EAB (7.10.2025)
Ein vollbesetzter Saal, spürbare Spannung – und ein Publikum, das sich mit vielen Fragen und Einwürfen einbrachte: Das rbb24 Inforadio Forum widmete sich in Kooperation mit der EAB der Frage, wie „tot“ Atomkraft in Deutschland wirklich ist und welche Rolle sie in Europa künftig spielt. Mirjam Meinhardt (rbb24 Inforadio) führte souverän und pointiert durch den Abend; die Atmosphäre war konzentriert, lebhaft und ausgesprochen konstruktiv.
Inhaltlich reichte das Spektrum von Kostenvergleichen zwischen Kernenergie und Erneuerbaren über Langzeit-Speicher und Dunkelflauten bis zu CCS (CO₂-Abscheidung und -Speicherung), Endlagerung und europäischer Netzintegration. Wiederkehrende Bezugsgröße war dabei die europäische Dimension: Stromnetze über Grenzen hinweg, Markt- und Infrastrukturlogiken eines gemeinsamen Energiesystems – und die Frage, ob und wie nationale Entscheidungen (auch Deutschlands) europäische Spielräume prägen.
Philipp Jäger (Jacques Delors Institut) legte den Fokus auf Systemlogik statt Lagerdenken: Entscheidend seien grenzüberschreitende Netze und europäische Ausgleichsmechanismen – zu oft vernachlässigt in der Debatte, die sich hierzulande schnell im „Atom vs. Erneuerbare“-Schema verfange. Gerade für Länder wie Deutschland sei die europäische Perspektive zentral, wenn es um Versorgungssicherheit und Flexibilität gehe.
Prof. Dr. Christian von Hirschhausen (TU Berlin/DIW) stellte die Kostenfrage dezidiert ins Zentrum: Gegenüber Solar- und Windkraft sei Kernenergie heute deutlich teurer; die eigentliche Systemfrage laute daher, ob Langzeitspeicher zur Überbrückung seltener, länger andauernder Flauten kostengünstiger seien als neue Reaktoren. Skepsis äußerte er zudem gegenüber CCS-Pfaden und verwies auf die Komplexität und Dauer der Endlager-Suche in Deutschland und anderswo. Sein Plädoyer: Das europäische Stromsystem mit Erneuerbaren, Flexibilität, Speichern robust aufstellen – statt auf vermeintliche „Technologien von übermorgen“ zu setzen.
Rita Schwarzelühr-Sutter (Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium) betonte den europäischen Rahmen: Für Wettbewerbsfähigkeit und Energiesouveränität brauche es einen nachhaltigen europäischen Strommarkt und die passende Infrastruktur – vom Netzausbau über Speichertechnologien bis zu digitalen Lösungen, die Angebot und Nachfrage intelligenter zusammenbringen. Zugleich verwies sie auf die Verantwortung für sichere Endlagerung und die Notwendigkeit, Pfadentscheidungen in Europa kohärent zu denken.
Dr. Saskia Ludwig, MdB (CDU), warb für Technologieoffenheit und Realismus: Deutschland benötige eine sichere und bezahlbare Energieversorgung, um Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze zu sichern; die Debatte müsse ideologiefrei geführt werden – einschließlich der Option Kernenergie, etwa als industrielles Back-up in Dunkelflauten. Auch SMR-Konzepte und die Rolle von Gaskraftwerken als Brückentechnologie wurden in diesem Kontext angesprochen.
Intensiv diskutiert wurden die Systemkosten (von britischen Projekten bis zu OECD-Vergleichen), die Zeitachsen für Neubauten, der reale Zubau Erneuerbarer in Deutschland sowie Streitpunkte rund um Netzstabilität, Abregelungen und die Koordination mit Nachbarländern. Der Befund des Abends: Wer Versorgungssicherheit, Klimaziele und Bezahlbarkeit zusammendenkt, kommt an europäischer Kooperation – Netze, Märkte, Speicher, Standardsetzung – nicht vorbei. Die Veranstaltung endete mit zahlreichen Publikumsfragen und setzte sich anschließend im Foyer bei einem kleinen Empfang fort.
Die Diskussion war Teil des Projekts „Europe behind the Headlines – Frequenz Europa“, mitgeschnitten in der Sendereihe „Forum“ von rbb24 Inforadio – unterstützt vom Auswärtigen Amt und von der Europäischen Union (CERV).
Original-Zitate aus dem Abend





Impressionen des Abends






