Die wachsende Bedeutung des Euro als internationaler Reservewährung: Potential und Risiken (Dr. Wolfgang Merz)

Die internationale Rolle des Euro verändert sich. Spätestens seit den Verwerfungen der Trump-Jahre steht Europa vor der Frage, wie stark seine Währung im globalen System wirklich sein kann. In diesem Beitrag analysiert Dr. Wolfgang Merz Chancen, Risiken und politische Voraussetzungen für den Euro als internationale Reservewährung – ein Thema, das weit über die Finanzmärkte hinausweist.
Die wachsende Bedeutung des Euro als internationaler Reservewährung: Potential und Risiken
Von Dr. Wolfgang Merz, 12.09.2025
Hintergrund: Trump und die Folgen
Lange Zeit konnte Europa auf ein offenes, multilaterales System vertrauen – mit den USA in der Führungsrolle und dem US-Dollar als stabiler Reservewährung. Dieses Gefüge brachte auch Europa Vorteile. Die erratische Politik von Präsident Trump hat das System jedoch erschüttert: das Vertrauen in den Dollar sank, während der Euro an Gewicht gewann. Neben Gold oder dem Schweizer Franken wird er zunehmend nachgefragt und liegt heute mit 20 % Anteil an den globalen Reserven hinter dem US-Dollar (58 %). Doch mehr Bedeutung bringt auch Risiken: Eine Überbewertung – vergleichbar mit der D-Mark in den 1980er Jahren – könnte die Wettbewerbsfähigkeit der Eurozone belasten.
Drei Pfeiler für die internationale Rolle des Euro
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat jüngst drei Bereiche hervorgehoben, die entscheidend für die Stärkung des Euro sind:
- Offener Handel und Verteidigungsfähigkeit
Europa ist mit 40 % des globalen BIP der wichtigste Handelspartner der Welt. Offene Märkte und der Abschluss ausstehender Abkommen sind daher zentral. Auch der digitale Euro muss zügig vorangebracht werden. Gleichzeitig gilt es, die vorhandenen militärischen Fähigkeiten zu bündeln, um außenpolitische Handlungsfähigkeit zu sichern.
- Europa als attraktiver Investitionsraum
Die hohen Ersparnisse Europas müssen stärker in produktive Investitionen fließen. Dafür braucht es die Vollendung einer Spar- und Investitionsunion, die Vertiefung des Binnenmarkts, weniger Bürokratie und eine europäisch gedachte Industriepolitik. Zwar ist die Gesamtverschuldung Europas im Vergleich zu den USA noch tragfähig, doch die wachsenden Defizite in Frankreich und Italien sowie die steigende Verschuldung in Deutschland erhöhen die Risiken.
- Rechtsstaatlichkeit als Standortfaktor
Investoren brauchen verlässliche Rahmenbedingungen. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie bleiben daher Grundpfeiler – auch als Gegenmodell zu autoritären Tendenzen. Fortschritte gibt es: Substantielle EU-Mittel bleiben Ungarn vorenthalten. Doch es fehlt an konsequenten Durchgriffsrechten der EU, während in einigen Mitgliedstaaten demokratische Standards selbst unter Druck geraten.
Herausforderungen für die Europapolitik
Die Chancen des Euro sind keineswegs ein Selbstläufer. In den letzten Jahren gelang es Europa nicht, die durch Trump ausgelösten Verwerfungen für tiefere Integration zu nutzen. Uneinigkeit unter den Mitgliedstaaten und ein unglückliches Agieren der Kommission verhinderten größere Fortschritte. Handelsabkommen wurden zwar forciert, doch politische Blockaden bestehen. Auch beim Aufbau gemeinsamer Verteidigungsinstrumente bleibt die Frage offen, ob sie zu echter Integration führen. Der digitale Euro ist frühestens 2028 zu erwarten.
Der Standort Europa wird zugleich durch strukturelle Schwächen herausgefordert: mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China, schleppende Reformen, nationale Widerstände etwa gegen Bankenfusionen. Die jüngste Rede der Kommissionspräsidentin von der Leyen zur Lage der Union hat zahlreiche Initiativen angekündigt – doch ob diese von einer Mehrheit der Mitgliedstaaten getragen werden, ist ungewiss.
Fazit
Der Euro ist eine starke Währung und global zunehmend gefragt. Doch zur Leitwährung fehlt ein entscheidender Schritt: eine tiefere politische und institutionelle Integration Europas. Solange nationale Interessen dominieren und zentrale Reformen stocken, bleibt die internationale Vorrangstellung des US-Dollars unangetastet. Das Potential ist vorhanden – seine Realisierung hängt von Europas Fähigkeit ab, Einigkeit herzustellen und mutig zu handeln.
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Der Autor Dr. Wolfgang Merz ist Berater, Dozent und Autor mit umfassender Erfahrung in nationalen, europäischen und internationalen Prozessen. Als ehemaliger leitender Mitarbeiter im Bundesministerium der Finanzen und Economist beim Internationalen Währungsfonds bietet er strategische Beratung, praxisnahe Bildung und fundierte Publikationen an. Sein Fokus liegt auf der Verbindung von Ökonomie und Politik, um Organisationen und Individuen in einer vernetzten Welt zu unterstützen. Mehr unter: www.wolfgang-merz.de
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Die Rubrik EAB Impulse bietet Meinungen und Analysen zu aktuellen Entwicklungen in Europa. Die Beiträge spiegeln allein die Perspektiven der Autorinnen und Autoren wider und laden zum Nachdenken und Diskutieren ein. Weitere Informationen zur Arbeit der Europäischen Akademie Berlin und zu ihren Angeboten finden Sie unter:
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